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Vom "Ideologieexport" zur Wahrnehmung nationaler Interessen - Irans regionale Außenpolitik in Zentralasien



Zusammenfassung:
Seit den ersten Jahren der Islamischen Republik hat die Außenpolitik des Iran eine dynamische Entwicklung durchlaufen. Der Beitrag beschreibt schemenhaft diesen Wandel vom so genannten "Ideologieexport" zu einer Politik der Wahrnehmung nationaler Interessen am Beispiel regionaler Außenpolitik in Zentralasien.



1 Die Grundzüge iranischer Außenpolitik nach 1979 und der außenpolitische Komplex

Der Staatsbildungsprozess der Islamischen Republik Iran in den 1980er Jahren war maßgeblich geprägt durch die Schaffung einer Balance zwischen der Regeneration der Ziele der islamischen Revolution auf der einen, und der Institutionalisierung des Staates auf der anderen Seite. Ersteres wurde in Form des "Revolutionsexportes" zum bedeutsamen Teil in die Außenpolitik kanalisiert. Die geistliche Elite betrachtete den Iran als Schutzmacht islamistischer Gruppierungen und Bewegungen besonders im Nahen Osten und dem nördlichen Afrika (AFRASIABI 1994, S.15f). Gleichzeitig wurde durch die Verfassung die Unterstützung des Kampfes der "Rechtlosen" gegen die "Unterdrücker" weltweit proklamiert. Die Existenz von Nationalismus und Nationalität im Iran hingegen wurde von oberster Stelle verneint, und als vom Westen importierte Ideologie oder vor-islamische Erscheinung bezeichnet.
Für eine Zäsur in der iranischen Außenpolitik war der iranisch-irakische Krieg verantwortlich, in dessen achtjährigen Verlauf es zu enormen Verlusten von Menschenleben und erheblichen Zerstörungen der Infrastruktur kam. Mehrere Hunderttausend Menschen wurden getötet oder verletzt, 60 Städte und 4000 Dörfer teilweise oder vollständig zerstört (AFRASIABI 1994, S. 36). Offizielle Statistiken gehen von direkten und indirekten wirtschaftlichen Schäden in Höhe von 871 Mrd. Dollar aus (AFRASIABI 1994). Hinzu kam das Scheitern der durch Pan-Islamismus charakterisierten Mobilisierungsstrategie der iranischen Führung. 1988 sah sich Khomeini gezwungen, einem von der UN verhandelten Waffenstillstandsabkommen zuzustimmen. Dies war der erste Schritt hin zu einer lange verzögerten, stärker von nationalen Werten geprägten Staatsbildung. Die Erfahrung einer kollektiven Bedrohungssituation durch eine auswärtige Macht und die Last des Wiederaufbaus förderten den Prozess der "Rationalisierung" und "Pragmatisierung" der iranischen Außenpolitik und die Betonung des Faktors Sicherheit in den regionalen und internationalen Beziehungen.
Der Tod des charismatischen Führers Khomeini im Jahre 1989 stellte zusätzlich die Weichen für eine stärkere Dezentralisierung der Gestaltung außenpolitischer Leitlinien und die Hinwendung zu einer Strategie der Wahrnehmung nationaler Interessen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren unterschiedliche offizielle und inoffizielle Akteure in die Außenpolitik involviert. Khomeinis Einfluss dabei war erheblich. Er traf selbst oft unilaterale und unabgestimmte außenpolitische Entscheidungen. Auf diesem Wege gelang es ihm, die unterschiedlichen Fraktionen, die in die Außenpolitik eingebunden waren, gegeneinander auszubalancieren. Hatte er beispielsweise durch Annahme des Waffenstillstands einen Teil seines hohen Ansehens bei den militanten Kräften im Iran eingebüßt, so gelang es ihm, durch die Unterstützung der fatwa gegen Salman Rushdie dieses erneut zu restaurieren (AFRASIABI 1994, S. 30).
Neben den dominant internen Faktoren iranisch-irakischer Krieg und Ende der charismatischen Herrschaft Khomeinis wirkte extern auch das Ende des Kalten Krieges auf die Umorientierung in der Außenpolitik. Die USA, Hauptgegner des Irans, waren nun die einzige Supermacht, während der Zusammenbruch der UdSSR, einst Stabilitätsgarant an der iranischen Nordgrenze, zur Unabhängigkeit der zentralasiatischen und transkaukasischen Republiken und damit zur Schaffung von fragilen staatlichen Gebilden führte. Der Iran geriet erneut in sein Angestammtes geopolitisches Umfeld als Mittelmacht mit allen damit verbundenen Risiken und Chancen zurück (REISSNER 2001, S. 664).
Der außenpolitische Komplex der Islamischen Republik Iran zeichnet sich durch eine Kombination von Individuen und Institutionen, die direkt in den Entscheidungsprozess eingebunden sind, aus. Laut Verfassung gehören der geistige Führer, der Präsident, der Außenminister, der Rat für nationale Sicherheit und die ökonomische und militärische Bürokratie zum außenpolitischen Establishment. Zusätzlich zu diesen formalen Akteuren spielen auch informelle Kräfte eine nicht unbeträchtliche Rolle bei der Festlegung der außenpolitischen Linie. Zu nennen sind hier die mächtigen religiösen Stiftungen, die besonders in Bezug zum "Revolutionsexport" bis heute eine dominante Stellung einnehmen. So existieren neben dem zum Außenministerium gehörenden Büro für Befreiungsbewegungen im Iran mehrere andere Einrichtungen, die parallel die Verantwortung für Ideologieexport übernommen haben (AFRASIABI 1994, S. 26). Die Außenpolitik ist somit beeinflusst von Akteuren mit stark differierendem politischem Hintergrund. Während der religiöse Führer Khamenei, der Nachfolger Khomeinis, an sehr konservativen Grundsätzen festhält, war die Regierung Khatamis (1997 bis 2005) von eher moderaten bis liberalen Kräften dominiert. Mit der Regierung des neuen Präsidenten Ahmadinejad haben sich neo-konservative Kräfte, die vornehmlich während des iranisch-irakischen Krieges ihre politische Prägung erhielten, die Macht gesichert (REISSNER 2005, S. 1). Jenseits und selbst innerhalb dieser Lager besteht ein Spektrum von weiteren mehr oder weniger starken Kräften mit unterschiedlicher politisch-religiöser Orientierung.
Der iranische Präsident Rafsanjani (1988 bis 1997) und sein Nachfolger, der Reformer Khatami (1997 bis 2005), hatten erheblichen Anteil an der Wendung der iranischen Außenpolitik von militantem zu moderatem Verhalten. Eine entgegengesetzte Bewegung, die sich in erheblichen Drohgebärden gegen Israel und der erneuten Abkühlung des Verhältnisses zum Westen manifestiert, hat seit 2005 mit dem neuen Präsidenten Ahmadinejad begonnen. Doch diese Entwicklung beruht weiterhin auf nationalen Interessen des Iran, wie die Argumentation für die Durchsetzung des iranischen Atomprogramms von offizieller Seite zeigt. Fraglich bleibt weiterhin, ob und wie lange die neue Führung in Teheran diese sehr selbstbewusste, den Interessen des Westens gegenüberstehende Linie in der Außenpolitik aufrechterhalten kann. Der Machtkampf unter den konservativen und reformorientierten Einflussgruppen um das politische Selbstverständnis des Irans ist einem Wettbewerb innerhalb der konservativen Eliten des Landes gewichen (REISSNER 2005, S. 2). Während Khamenei und Ahmadinejad die Kontinuität bzw. Restauration des "Khomeinismus" mit seinem betonten Anti-Amerikanismus und der gegnerischen Stellung zur Globalisierung bekräftigen, sprechen sich andere konservative Gruppen für eine Veränderung des Kurses in der Außenpolitik zu mehr pragmatischen Verhalten aus. Die iranische Außenpolitik bleibt somit in hohem Maße inkonsistent und sorgt für divergierende Einschätzungen von Seiten des Westens.
Die alleinige Betrachtung der Außenpolitik ohne Bezug zur Innenpolitik verschleiert allerdings, dass, je stärker sich die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme (demographische Krise, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Missmanagement in der Ökonomie) im Innern zuspitzen, sich auch die Bedeutung der auswärtigen regionalen und internationalen Beziehungen relativiert. Dringend benötigte Reformen bleiben bisher blockiert durch den konservativen Klerus aus. Auch die von Ahmadinejad im Wahlkampf angekündigten Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und der Verbesserung der Lage der ärmeren Bevölkerungsschichten wurde bisher kaum implementiert. Irans neues Selbstbewusstsein gegenüber der internationalen Gemeinschaft bleibt auch weiterhin eng an die gespannte innenpolitische Situation gekoppelt.

2 Die Islamische Republik in der Region

2.1 Der Iran im Kontext regionaler Sicherheit

Der Iran kehrte mit Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder in seine traditionelle geopolitische Umwelt zurück (REISSNER 2001, S. 664). Diese stellte sich allerdings als Kreis von zwischenstaatlichen und ethno-politischen Konflikten am Persischen Golf, in Nagorny Karabakh, Georgien und Tschetschenien, in Tadschikistan und Afghanistan dar (REISSNER 2001). Die Erfahrung des Krieges sorgte angesichts dieses Umfeldes für ein großes Unsicherheitsgefühl auf Seiten des Iran. Die Bedrohungsvorstellungen sind auch aus dem Blickwinkel verständlich, dass im Vielvölkerstaat Iran große Minderheiten von Aserbaidschanern, Armeniern, Turkmenen, Kurden, Arabern und Belutschen leben. Die Bevölkerungsanteile der Minderheiten sind besonders in den schwer zugänglichen peripheren Gebirgsregionen des Landes sehr hoch, was die Furchtszenarien vor Destabilisierung und Verlust der territorialen Integrität zusätzlich nährt. Im Falle Aserbaidschans ist das Bedrohungsgefühl besonders immanent, leben doch in den nordwestlichen Provinzen West- und Ost-Aserbaidschan sowie Ardebil erheblich mehr Aserbaidschaner als in der souveränen Republik, in der zudem Stimmen nationalistischer Gruppierungen nach einem Anschluss der entsprechenden iranischen Provinzen laut wurden (REISSNER 2001, vgl. auch SHAFFER 2002).
Neben den ethno-politischen Unwägbarkeiten sorgten, wenn auch im geringeren Maße, die schwach ausgebildete Staatlichkeit in den neuen Staaten der postsowjetischen Peripherie, die Drogenhandel und Korruption, sowie sozioökonomischem Niedergang Vorschub leisten, für Furchtvorstellungen der Islamischen Republik. Der Faktor Sicherheit und die Unterstützung regionaler Stabilität stand daher an erster Stelle auf der außenpolitischen Agenda des Iran in Bezug auf die Region (HERZIG 2001, S. 172). In Hinsicht auf zwischenstaatliches Konfliktpotential wurde bis zum Einmarsch amerikanischer und britischer Truppen in den Irak eben dieser als bedeutendste Bedrohung angesehen. Hinzu kommt Israel, besonders aufgrund seines Atomwaffenarsenals, und im geringeren Maße die Türkei aufgrund ihrer Nato-Mitgliedschaft sowie ihrer Bündnispolitik mit dem Erzfeind Israel (REISSNER 2001, S. 664). Die starke Präsenz amerikanischer Truppen an den Außengrenzen und in der Region bedeutet aus Sicht Teherans zusätzliches Unsicherheitspotential.

2.2 Grundlagen und Positionierung iranischer Außenpolitik

Der Iran betrachtet sich selbst als "Insel der Stabilität" umringt von einem "Meer" sicherheitspolitischer Unwägbarkeiten, etwa der ethno-politischen Konflikte im Kaukasus und Zentralasien. Eines der obersten Ziele iranischer Politik, sowohl im Innern als auch im Äußeren, ist daher ein Nationalstaat in den heutigen Grenzen im Rahmen der postsowjetischen territorialstaatlichen Ordnung zu bleiben und ein wichtiges Transitland zwischen Zentralasien, der Kaspischen Region und dem Persischen Golf zu werden (REISSNER 2001, S. 664).
Die Sicherung des Nationalstaates wird im Iran automatisch mit dem Erhalt kultureller Identität in Verbindung gebracht. Hier liegt die wichtigste Ursache für die heutigen internen Konflikte des Iran. Im Selbstverständnis des Iran besteht eine offensichtliche Ambivalenz zwischen Hegemon- und Opferdenken. Mal sieht man sich in der Tradition ehemaliger persischer Großreiche, mal als Opfer Jahrhunderte andauernder kolonialistischer und imperialistischer Verschwörungen (REISSNER 2001, S. 665ff.). Als Quelle der Ambivalenz wird vielfach die Größe und der besondere Status der eigenen Kultur genannt, deren Bedeutungserosion im 19. Jahrhundert mit den russischen Eroberungen südlich des Kaukasus und in Zentralasien begann, und sich bis zum Jahr 1979 fortsetzte. Auch die Revolution ist aufs engste mit der Einflussnahme auswärtiger Mächte auf die Politik des Iran verbunden.

2.3 Regionale Außenpolitik - das Beispiel Zentralasien

2250 km gemeinsamer Grenze verbinden Iran seit 1991 mit drei neuen Staaten (Armenien, Aserbaidschan, Turkmenistan), über das Kaspische Meer besteht zusätzlich Zugang zu Kasachstan und der Russischen Föderation. Angesichts dieser engen Nachbarschaft hegt Teheran nach wie vor Hoffnung auf eine intensive regionale Kooperation der Anrainerstaaten. Hierbei spielen besonders die großen Öl- und Gaslagerstätten an und im Kaspischen Meer eine Rolle. In Bezug zum Kaspischen Meer stellt sich die Frage nach dem Status. Iran favorisiert die gemeinsame, gleichberechtigte Nutzung des Gewässers und opponiert gegen unilaterale Projekte der einzelnen Staaten. Nur ein legales Regime, das von allen Staaten getragen wird und die Gründung einer Caspian Sea Cooperation Organization (CASCO) mit einschließt, soll bindend sein. Externe Akteure sollen herausgehalten werden, Anstrengungen zur Demilitarisierung zudem Irans Sicherheitsimperativ garantieren (MOHSENIN 2001, S. 175ff.). Von der Forderung nach einem ungeteilten Kaspischen Meer ist der Iran allerdings mittlerweile abgerückt, und stimmt einer Aufteilung zu, sofern Teheran 20% der Fläche zufallen (MOHSENIN 2001).
Die starke Betonung von gleichberechtigter Kooperation in der ökonomischen Außenpolitik des Irans zieht sich durch sämtliche bi- und multilateralen Beziehungen in der Region. Darunter fällt auch die Aufnahme aller Staaten der Region mit mehrheitlich moslemischer Bevölkerung in die Economic Cooperation Organization (ECO) im Jahre 1992, mit dem Ziel der Schaffung eines einheitlichen islamischen Binnenmarktes, und die Wiederbelebung der historischen Bedeutung Zentralasiens als Transitregion zwischen Europa, dem Mittleren Osten, der GUS sowie Ost- und Südasien (HERZIG 1995, S. 32).
In kultureller Hinsicht berief sich die iranische Außenpolitik auf die Restauration gemeinsamer Werte wie Geschichte, Religion und Sprache. Über mehrere Jahrhunderte hinweg bis zur Eroberung durch das Russische Reich Anfang des 19. Jahrhunderts war Persien die entscheidende kulturelle Macht in der Region. Die persische Sprache galt als Lingua franca von der Türkei bis nach Indien. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hofften nun verschiedene, besonders auch informelle Klientelgruppen im Iran verlorenen Einfluss wieder geltend machen zu können.
Die offizielle regionale Außenpolitik orientierte sich insgesamt an der bereits beschriebenen pragmatischen Wahrnehmung nationaler Interessen jenseits des noch in den 1980er Jahren propagierten "Ideologieexports". Sie folgte Werten und Normen des internationalen Systems. Dennoch wurden die iranischen Initiativen von den Regierungen der zentralasiatischen Republiken weitestgehend mit Misstrauen registriert. Iran wurde weiterhin als Zentrum für die Verbreitung islamistischen Gedankengutes angesehen, seine Bemühungen um die Verbesserung seiner Wahrnehmung verliefen zum erheblichen Teil ergebnislos. Zudem hatten die Staaten ein vitales Interesse an guten Beziehungen zum Westen und besonders zu den USA, die einem Engagement des Irans in Zentralasien möglichst verhindern wollten. Zielten Irans Initiativen in Zentralasien darauf ab, nach langer Isolation wieder zu einem anerkannten Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden und als Nationalstaat mit rationalen Interessen wahrgenommen zu werden, wollten die USA dies nicht zulassen. Sie befürchteten, dass das ideologische Vakuum, das durch den Zusammenbruch der UdSSR entstanden war, durch den Iran gefüllt werden könnte. Der Iran seinerseits strebte eine Exklusion der USA aus Zentralasien und vor allem dem Kaspi-Raum, und freundschaftliche, auf gegenseitigem Vertrauen bestehenden Beziehungen zu den Staaten der Region an (HERZIG 2001, S. 174). Doch zu Beginn der 1990er Jahre noch in Anlehnung an historische Analogismen (der Kampf um die Kontrolle des Zugangs nach Indien über Zentralasien zwischen dem Russischen Reich und Großbritannien im 19. Jahrhundert) genannten "great game" spielten noch andere Akteure eine Rolle. Auch die Türkei, Russland und China wurden als Mächte mit Interessen in der Region gehandelt. Auch sie würden versuchen, Vorteil aus der Situation zu schlagen.
Russlands nach wie vor großer politischer Einfluss in Zentralasien und Kaukasien wurde dabei vielfach unterschätzt. Besonders in Fragen der Sicherheitspolitik blieb die Russische Föderation für die meisten Staaten der Partner Nummer eins. Irans Analytiker beachteten sowohl die Persistenz des russischen Einflusses, als auch die weitreichende Kongruenz iranischer und russischer Sicherheitsinteressen. Sowohl Russland als auch die Islamische Republik wollten amerikanische Initiativen in der Region möglichst minimieren. Beide sahen zudem die Gefahr ethno-politischen Konfliktpotentials. Angesichts dieser Überschneidungen überließ der Iran Sicherheitsangelegenheiten russischen Initiativen, und verhielt sich weitestgehend passiv (HERZIG 2001, S. 188). Nur in Hinsicht auf Konfliktmanagement machte sich Teheran einen Namen als Unterhändler im Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Nagorny Karabakh und im tadschikischen Bürgerkrieg.
Verschiedentlich wiesen Analytiker Anfang der 1990er Jahre auf eine zu erwartende Rivalität zwischen der Türkei als Vertreter des Westens, der Säkularität, Demokratie und Marktwirtschaft repräsentiert, und des Irans als "Exporteur" von islamischem Fundamentalismus, Revolution und nicht-westlichen Werten und Normen hin (vgl. HERZIG 1995). Zu dieser Konstellation kam es jedoch nicht. Sowohl die Türkei als auch der Iran waren darauf bedacht, eigene Interessen durchzusetzen, dabei jedoch größere Spannungen zu vermeiden, da diese nicht nur zu Instabilität in der Region beigetragen, sondern auch die eigenen Chancen egalisiert hätten. Darüber hinaus war der Einfluss beider Staaten in der Region vergleichsweise gering, was auf erhebliche Fehleinschätzungen der politischen Establishments als auch anderer beteiligter Gruppen und die Persistenz russischer Vorherrschaft in Zentralasien zurückzuführen ist.

3 Fazit

Die iranische Außenpolitik befindet sich in einem Legitimitätsdilemma. Zum einen will der Staat in der Region gestaltend wirken, zum anderen fehlen hierfür innenpolitisch und ökonomisch Mittel und Einfluss. Aufgrund der Auseinandersetzungen im Innern sind im Augenblick alle Kräfte des Iran gebunden. Die Zersplitterung der Machtzentren behindert eine kohärente Außenpolitik (REISSNER 2001, S. 678). Dies hat sich auch nach der überraschenden Wahl Ahmadinejads zum Präsidenten im Jahr 2005 nur bedingt geändert, denn auch innerhalb der einst als nahezu monolithisch beschriebenen Konservativen tun sich zunehmend Risse auf. Weiterhin wirken sich die Interessen der Industrienationen und Großmächte in dem an Energieressourcen reichen Raum entscheidend aus.
Trotz bedeutender Misserfolge hat die regionale Außenpolitik des Iran wesentlich zur Verbesserung seiner Wahrnehmung in der Welt beigetragen. Besonders der Erfolg in der Vermittlung des inner-tadschikischen Konfliktes hat dabei einen besonderen Stellenwert (vgl. ABDULLAEV; BARNES 2001). Iran wird am Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr vorrangig als Quasi-Staat, der islamistische Ideologie in alle Welt verbreitet, gesehen, sondern als Nationalstaat mit legitimen Interessen. Relativierend hat hier der Streit um das iranische Atomprogramm gewirkt, in welchem die USA und die iranische Führung die treibenden Kräfte darstellen. Die Beilegung der zunehmenden Spannungen wird erhebliche Sensibilität und psychologisches Verständnis der komplexen Lage im Iran bedürfen (FORSTER; OWEN 2006, S. 1). Für die politische und ökonomische Entwicklung des gesamten Raumes hätte ein besonnenes Vorgehen wesentliche positive Konsequenzen.

4 Literatur

ABDULLAEV, K.; BARNES, C. (Eds.) (2001): Politics of compromise. The Tajikistan peace process. London.
AFRASIABI, K. (1994): After Khomeini. New Directions in Iran's Foreign Policy. San Francisco and Oxford.
FORSTER, C.; OWEN, J. (2006): Understanding Iran: a solution to the nuclear crisis. The Foreign Policy Centre. London.
HERZIG, E. (1995): Iran and the Former Soviet South. London.
HERZIG, E. (2001): Iran in Central Asia. In: ALLISON, R.; JONSON, L. (Eds.) (2001): Central Asian Security. The New International Context. London and Washington. p. 171-198.
MOHSENIN, M. (2001): The evolving security role of Iran in the Caspian region. In: CHUFRIN, G. (Ed.) (2001): The Security of the Caspian Sea Region. Oxford. p. 166-173.
REISSNER, J. (2001): Iran - Stabilität statt Revolutionsexport. In: REITER, E. (Hg.) (2001): Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik. Hamburg, Berlin, Bonn. S. 663-680.
REISSNER, J. (2005): Irans neue Distanz zum Westen. SWP-Aktuell 32. Berlin.
SHAFFER, B. (2002): Borders and Brethen. Iran and the Challenge of Azerbaijani Identity. Cambridge and London.



Erschienen in Felgentreff, C. (Hrsg.)(2006): Die Islamische Republik Iran. Eine Studienreise. Praxis Kultur- und Sozialgeographie 39. Potsdam.